Zwei hochkarätige Wortakrobaten unterhielten am 1. April ein 120-köpfiges Publikum in der Aula des Graf-Münster-Gymnasiums. Mit dem Ex-ORler Thomas Schmidt (Fränkischer Poetry-Slam-Meister 2016) und dem langjährigen Moderator der Bayreuther Slams Michel Jakob (Meister 2009 und 2010) fanden sich auf Einladung der Freunde des GMG zwei Kleinkünstler an unserer Schule ein, die sich gut verstehen. Die beiden sprachen dabei über das Phänomen Poetry Slam und lieferten natürlich auch viele Kostproben ihres Könnens ab.
Beide kennen sich gut und arbeiten oft zusammen, beide sind extra für den Abend aus Mittelfranken angereist, Zwischen den Vortragsrunden stellen sie sich gegenseitig vor und geben Einblicke in
die Geheimnisse des Poetry-Slams.
Während bei dem einen der beiden, Thomas Schmidt, der Poetry Slam vor allem ein Freizeitvergnügen ist, seit ihn ein wohlwollender Nachbar („der Oarsch!“) 2011 zu einem Slam angemeldet hatte, muss
der andere, Michel Jakob, von seiner Kunst leben – und tut das seit mehr als zwanzig Jahren erfolgreich als Slam-Poet, -Organisator und -Moderator, als Lehrbeauftrager für Poetry Slam (Nürnberg
und Coburg) sowie als freier Redner und als Coach für Glück und finanzielle Bildung.
Für ein besseres Verständnis des Dichter-Wettbewerbs wären da noch die Regeln, die zu Veranstaltungsbeginn nach der obligatorischen Begrüßung („Hallo GMG!“ – „Hallo Michel!“) für all diejenigen
im Publikum erklärt werden müssen, die ihren ersten Poetry Slam miterleben: 1. Es werden nur eigene Texte vorgetragen. 2. Es gibt ein Zeitlimit (meist zwischen fünf und sieben Minuten).
3. Es sind keine Verkleidungen oder andere Hilfsmittel auf der Bühne erlaubt, nur der Zettel mit dem Text. 4. Fürs Publikum gilt: „Respect the Poets!“ Wer jetzt zuhause an eigenen Texten
arbeiten möchte, dem sei zur Motivation mitgeteilt, dass ein Gewinn der Deutschen Poetry-Slam-Meisterschaft ein Sprungbrett ins Showbusiness sein kann. Marc-Uwe Kling, Hazel Brugger, Thorsten
Sträter oder Lisa Eckhart haben es vorgemacht.
Für den Abend am GMG hat Michel sich besonders vorbereitet: Er trägt aus seinem üppig mit bunten Anzügen ausgestatteten Kleiderschrank ein Sakko mit Comicfiguren (laut Thommy Schmidt steht die
Qualität seiner Anzüge im krassen Gegensatz zur Qualität seiner Texte!) und hat einen Dino-Text aus seinem Archiv gezogen. Titel: „Jurassic Park“. Der Inhalt in Kürze: Seine Küche empfindet er
als ordnungsliebender Mensch als Problem und sammelt daher seit acht Jahren ungetrennten Müll in der Speisekammer; in der wiederum haust ein T-Rex, wie sich beim Versuch einer Aufräumaktion
herausstellt. Weil der gefräßige Dino auch den zu Hilfe gerufenen Kammerjäger frisst, kehrt Michel zur alten Mülltrennlogik zurück und füttert den Kammerbewohner fürderhin mit GEZ-Spionen, Zeugen
Jehovas und anderen Störenfrieden.
In weiteren Runden liefert der erfahrene Poetry-Slammer – mehr als einhundert Wettbewerbe im deutschsprachigen Raum hat er als Sieger beendet – noch einen ultrawitzigen, aber recht blasphemischen Text mit dem Titel „Ich bin Jesus“ sowie eine Abrechnung mit dem Sportunterricht, die er einst als Auftragsarbeit für eine Nürnberger Sportschule verfasst hatte.
Slam-Texte können also durchaus ein bisschen autobiographisch sein, das beweist der Deutsch- und Französisch-Lehrer Thommy Schmidt bei seinen poetischen Bühnentexten. Seine den Schülern auf dem Pausenhof abgelauschten Gespräche werden schnell zu einer Einführung in die Jugendsprache, sein Vortrag „Lost in Translation“ ist das hohe Lob für Fremdsprachen, die „Tore zur Welt“: Französisch und Italienisch wirken schon alleine durch ihren Klang.
Mit einer Entschuldigung bei unserem großen Dichter Friedrich Schiller transferiert Thommy einen der klassischen Texte für die Schule ins 21. Jahrhundert: „The burgschaft reloaded“ – da lacht und
weint das Herz des Deutschlehrers zur gleichen Zeit. Ein weiteres prägendes Thema für den Mittfünfziger ist schließlich das Altern. Unter dem Titel „Geriatrie“ berichtet er unter anderem, dass
neulich bei einem Poetry Slam eine junge Teilnehmerin versucht habe, ihm auf die Bühne zu helfen („Blöde Kuh!“).
Der abschließende, sehr ergreifende Text von Michel hat die Ablehnung der Erwachsenenwelt zum Thema: „Kind sein“. Ein Hilferuf in einer verrückten Welt, in den das Publikum gerne einstimmt, falls
sich der anhaltende Applaus so deuten lässt.
Gemeinsam mit zwei weiteren Wortkünstlern betreiben die beiden Hauptverantwortlichen für einen unterhaltsamen Abend in der GMG-Aula übrigens auch eine Lesebühne. Vielleicht war der Poetry-Slam am 1. April 2025 ja nicht ihr letzter Auftritt am GMG.
Alexander Prechtl